Bühnenbilder und Architektur.

  Cover © E. Wittbusch  

Bühnenbilder und Architektur. Das Experiment des Reformtheaters in der Gartenstadt Hellerau im Hinblick auf die Relevanz des Universalraums als Inszenierungsmittel.

Elena Wittbusch
Theoretische Masterarbeit im Fach Architektur | SoSe 2022 I RWTH Aachen

Lehrstuhl für Kunstgeschichte
Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander Markschies
M. A. Frederike Eyhoff

Lehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa

 

Im Gesamtkontext der Gartenstadt Hellerau nimmt das Reformtheater von Heinrich Tes­senow einen besonderen Stellenwert ein. Das 1911 erbaute Fest­spielhaus, damals „Bildungsanstalt für rhythmische Gymnastik Dalcroze“, gilt noch heute als symbolhafter Bau, der die Reformideen in eine Architektur überführt: Schlichtheit, Ordnung und Sauberkeit. Der große Festsaal besitzt keine fest installierten Einbau­ten wie Bühne, Publikumsbereich oder Orchestergraben. Dadurch ist der Raum flexibel nutzbar, weshalb man ihn auch als „Universalraum“ bezeichnet.

Bereits 1906 kooperierte der Genfer Musikpädagoge Émile Jaques-Dalcroze (1865-1950) mit dem Schweizer Theaterreformer Adolphe Ap­pia (1862-1928) und zog diesen als bildkünstlerischen Berater für das Projekt in Hellerau hinzu. An der Planung des Bildungsinstituts waren sie maßgeblich beteiligt: Die veränderte Position der Zuschauenden zog starke Konsequenzen für den architek­tonischen Raum nach sich. An den Theaterraum wurden völlig neue Ansprüche gestellt. Es lässt sich sagen, dass hier der Versuch unternommen wurde, den Theaterraum regel­recht neu zu definieren. Die Gartenstadt Hellerau veranschaulicht den Entwurf einer frei assoziierten, gebildeten, produktiven und global denkenden Gesellschaft.

In der entstandenen Arbeit soll eben dieser Universalraum des Experimentaltheaters im Fokus stehen. Ohne den Reformgedanken, so die These, hätte er nicht entstehen kön­nen. Mit welchem Anteil die Umgebung der Gartenstadt fest mit ihm verknüpft ist oder inwiefern sich die experimentellen Ergebnisse des großen Saals isoliert von der Reform­idee der Gartenstadt betrachten lassen, soll Teil der folgenden Analyse werden. Wie die­ser Raum gestaltet wurde, wie technisch die neuen Ansprüche an Licht und Ton umge­setzt wurden, welcher Ort dem Publikum zugewiesen wurde, wie die Bühnengestaltung umgesetzt wurde, welche Methoden zur Unterstützung der Leistung der Darstellenden genutzt wurden und inwieweit der Raum bei all diesen Insze­nierungsmitteln eine unterstützende oder eigenständige Funktion übernimmt, soll durch die Rekonstruktion des Universalraums untersucht werden.